In der Presse #38
Halles Synagogengemeinde
bringt neuen Glanz in
Ruine
29. Juli 2007

Mitglieder sanierten ein Wohnhaus für Zugezogene in Eigenleistung

von Sylvia Zöller

Halle/MZ. Wo im vergangenen Jahr nur eine Ruine stand, hat die jüdischen Synagogengemeinde innerhalb von neun Monaten ein schmuck saniertes Haus entstehen lassen: Dort wohnen nun in neun Wohnungen Gemeindemitglieder, die aus Bernburg, Wittenberg, Köthen, Stendal oder Merseburg nach Halle gezogen sind. Nicht zuletzt aus religiösen Gründen, wie der Vorsitzende der Gemeinde, Karl Sommer, erklärt: "Ein Jude darf am Sabbat nicht laufen." Und deshalb reisen diejenigen Gemeindemitglieder, die zu der landesweiten liberalen Synagogengemeinde gehören, praktisch jeden Freitag und Samstag unerlaubt zu den Gottesdiensten an. Von den rund 400 Mitgliedern, die die Gemeinde laut Sommer landesweit hat, leben zur Zeit etwa zwei Drittel in Halle.

Ausschließlich Gemeindemitglieder haben, so Sommer, das Haus ausgebaut. Für 7000 Euro kaufte die Gemeinde das verfallene Gebäude, und nur durch den Einsatz der Männer aus der Gemeinde "Tag und Nacht" sei der Ausbau unter der Regie von Bauleiter Paul Rollbein möglich gewesen. Während in der Anfangsphase zahlreiche Helfer den Schutt aus der Ruine geräumt haben, kamen später bis zu zehn gelernte Bauleute aus der Gemeinde zum Einsatz.

Türen, Fenster, Balkone, alles habe man aus Polen importiert: "Wir hätten uns das aus Deutschland nicht leisten können", sagte der Gemeindevorsitzende, der im Berufsleben Architekt ist. Keinerlei mittel des Weltverbandes der "Union progressiver Juden in Deutschland"*), zu dem die Synagogengemeinde gehört, sind laut Sommer in den Bau geflossen - vielmehr habe die Gemeinde Kredite aufgenommen, deren Raten durch die Miete der neun Wohnungen beglichen  werden können.

"In zehn Jahren sind die Darlehen abbezahlt, dann können unsere Kinder davon profitieren", erläutert der 69-Jährige. Der Ansturm auf die Wohnungen sei groß - 70 Bewerber habe es für die neun kleinen Wohnungen gegeben, die sowohl junge Familien als auch Senioren bewohnen. Weil das Projekt so gut angenommen wurde, will die Religionsgemeinschaft bald wieder die Maurerkelle schwingen. In der Friesenstraße habe man ein zweites sanierungsbedürftiges Haus gekauft, so Sommer.

Quelle:
Mitteldeutsche Zeitung/SaaleKurier, Freitag, 29. Juli 2007
(Der Aufruf des Artikels im Archiv der Mitteldeutschen Zeitung ist kostenpflichtig!)


 

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