In der Presse #36
Thora-Rolle aus
Kalifornien
11.  Juni 2007

Wertvolle Gabe für Synagogengemeinde - Schriftstück fehlt bei keinem Gottesdienst

von Martina Springer

Halle/MZ. Wenn die Mitglieder der Synagogengemeinde zu Halle Freitagsabends und samstags - am jüdischen Ruhe- und Feiertag Sabbat - ihre Gottesdienste abhalten, dann ist seit März dieses Jahres jedes Mal auch eine Kostbarkeit dabei: eine Thora-Rolle. Aus dem fernen Kalifornien hat sie den Weg nach Halle gefunden, wird hier gehütet - und genutzt. Denn die Thora, sagt Karl Sommer, der Vorsitzende der Gemeinde, das sind die Fünf Bücher Moses. Aus ihnen liest der Rabbiner zum Gottesdienst.

Manchmal liegt die Rolle auch einfach nur auf dem Tisch, weil kaum jemand das von rechts nach links geschriebene und zu lesende Hebräisch beherrscht. Doch auch dann ist das rund 25 Kilogramm schwere Schriftstück ein Quell der Freude. Weil es, wie Karl Sommer erzählt, auf ungewöhnliche Weise an die Saale gekommen ist: Früher verfügten die Juden hier über etwa 20 Thora-Rollen, "aber alle sind verloren gegangen oder zumindest nicht mehr auffindbar". So stand die Synagogengemeinde bei ihrer Gründung Mitte der 90er Jahre in dieser Hinsicht mit leeren Händen da. Und auch mit leeren Kassen - die etwa 50 000 Dollar für einen Kauf waren nicht vorhanden.

Aber die Synagogengemeinde zu Halle, deren Mitglieder übrigens aus ganz Sachsen-Anhalt kommen, gehört der Weltunion der Juden*) an - und das war letztlich ausschlaggebend. Uri Regev, der Präsident der Weltunion, gewährte ihr als einziger liberaler Gemeinde in den neuen Bundesländern einen Wunsch. Und die derzeit rund 400 Mitglieder wünschten sich - was sonst - eine Thora-Rolle.

Eines Tages erhielten sie Post von der liberalen jüdischen Gemeinde Los Gatos in Kalifornien. Diese hatte zu ihrer Gründung eine Thora-Rolle geschenkt bekommen und wollte mit ihrer Weitergabe den Glaubensbrüdern in Deutschland helfen. Die Rolle, die laut Sommer aus Hirschhaut besteht und per Hand beschrieben ist, wurde von Kalifornien nach Jerusalem gebracht. Dort hat sie der Rabbiner abgeholt. Sommer: "Wir haben die Ankunft der Thora-Rolle mit einem großen Gottesdienst gefeiert."

Seit März also fehlt die Rolle bei keiner Sabbat-Feier. Jetzt, im Sommer, treffen sich die Mitglieder der Synagogengemeinde zu den Gottesdiensten auf einem idyllisch gelegenen Grundstück an der Saale und halten die Andacht im Zelt bzw. unter freiem Himmel ab. Im Winter nutzen sie einen Gebetsraum in der Trothaer Straße.

Quelle:
Mitteldeutsche Zeitung/SaaleKurier, Freitag, 11. Juni 2007
(Der Aufruf des Artikels im Archiv des Mitteldeutschen Zeitung ist kostenpflichtig!)


 

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