In der Presse #10

Streit ums Geld bedroht
Existenz der Synagogengemeinde

29. März 2005

Urteil des Oberverwaltungsgericht in Magdeburg wird nicht umgesetzt

von Steffen Könau

Halle/Magdeburg/MZ. Ein Ende des seit Mitte der 90er Jahre schwelenden Streits zwischen den jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt ist nicht absehbar. Es geht um die Vergabe von Mitteln und die Umsetzung eines Richterspruchs, der im Vorjahr bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte.

Auch vier Monate, nachdem das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg in letzter Instanz geurteilt hatte, dass die hallesche Synagogengemeinde gleichberechtigt in den Genuss von Zahlungen des Landes kommen muss, ist kein Euro bei den liberalen Juden angekommen. Karl Sommer, Chef der Synagogengemeinde, die sich im Unterschied zu den orthodoxen Gemeinden in Halle, Dessau und Magdeburg der liberalen Strömung des Judentums zugehörig fühlt, sieht seine Gemeinde dadurch inzwischen "in höchstem Maße in ihrer Existenz bedroht".

Denn der orthodoxe Landesverband, der jährlich rund eine Million Euro aus dem Landeshaushalt an die Gemeinden verteilt, weigere sich, das rechtskräftige Urteil umzusetzen. Gegenüber Walter Rothschild, dem Amtsrabbiner der Synagogengemeinde, sei in Aussicht gestellt worden, dass es dabei noch für mindestens zwei Jahre bleiben werde, wenn die Synagogengemeinde sich nicht mit einem geringen Betrag zufrieden gebe.

Für Sommer ein Unding. "Inzwischen wurden die liberalen Juden in Niedersachsen und Schleswig-Holstein in den Bezug der Staatsleistungen eingebunden", sagt er, "obwohl die Gemeinden dort erst lange nach uns gegründet wurden." Wenn der Landesverband nicht bereit sei, dem Urteil Folge zu leisten, müsse das Land als Geldgeber dafür sorgen, dass der Richterspruch umgesetzt werde.

Das Nichthandeln der Landesregierung sei für die Synagogengemeinde auf Dauer existenzgefährdend, mahnt Sommer in einem Brief an Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz, den er aufrief, "sich des Problems jetzt anzunehmen." Die einzige Alternative für die Synagogengemeinde bestehe sonst darin, die ihr vorenthaltenen Mittel als unterschlagen zu betrachten und Strafanzeige zu stellen. "Uns bleibt bald kein anderer Ausweg mehr."

Im Kultusministerium glaubt man nicht, dass das nötig sein wird. Es gebe derzeit Gespräche mit den Beteiligten, beschreibt Sprecherin Brigitte Deckstein. Das Land sei "an einer baldigen Lösung interessiert." Kultusstaatssekretär Winfried Willems will die Frage der Beteiligung neuer Gemeinden "grundsätzlich regeln". Vorbild könne der Staatsvertrag von Schleswig-Holstein sein, nach dem der Landesverband selbst nur zehn Prozent der Mittel erhalte. Der Rest werde dort nach Mitgliederzahl vom Land direkt an die Einzelgemeinden gezahlt.

Quelle:
Mitteldeutsche Zeitung, 30.03.2005


 

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