In der Presse #2

Richter geben Liberalen recht

14. November 2004

Streit jüdischer Gemeinden um Geld

HALLE (mas). Mit einem Urteilsspruch des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt hat ein seit 1995 anhaltender Streit unter Halles Juden um Geldzuweisungen des Landes eine überraschende Wendung genommen.

Miteinander im Clinch liegen der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt und die Synagogengemeinde in Halle. Hauptgrund der Auseinandersetzung: Der Landesverband, geführt von russisch-orthodoxen Juden, die überwiegend nach der Wende aus Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland eingewandert sind, erkennt die nach den Worten des Vorsitzenden der Synagogengemeinde Halle, Karl Sommer, mitteleuropäisch-angelsächsisch ausgerichteten liberalen Juden in Halle nicht als Juden an.

Daraus hat die Jüdische Gemeinde, die nicht in Halle wegen des fragwürdigen Umgangs mit den ihnen vom Land zugewiesenen Steuermillionen in den vergangenen Jahren immer wieder Negativschlagzeilen gemacht hat, die Auffassung abgeleitet, dass der Synagogengemeinde kein Geld zustünde. Ein Versuch von Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz im April diesen Jahres, in der Sache zu vermitteln, scheiterte. Die nach den Worten von Sommer "bettelarme" Synagogengemeinde hatte sich an den Minister gewandt, weil sie mit einem in der Sache angestrengten Gerichtsverfahren jahrelang nichts erreicht hatte. Mit der Forderung gegenüber der Jüdischen Gemeinde von Sachsen-Anhalt nach anteiliger Zahlung war die Synagogengemeinde 2000 vor Gericht gescheitert.

Nun hat sich das Blatt gewendet. In einem Urteilsspruch des Oberverwaltungsgerichts (OVG LSA, Urt. 1 L 339/9) vom Donnerstag heißt es: "Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Synagogengemeinde zu Halle Anspruch auf Leistungen nach dem Staatsvertrag mit der Jüdischen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt hat." Die Richter beugen sich damit der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts von 2002, dass die Klage nicht mit der Begründung abgewiesen werden kann, es sei innerhalb der Religionsgemeinschaft und nicht richterlich zu klären, ob die Synagogengemeinde eine jüdische Gemeinde ist. Nach Auffassung der Bundesrichter ist die Verteilung staatlicher Gelder Gegenstand des Verfahrens.

Im Sinne dieser oberinstanzlichen Entscheidung hat das OVG Magdeburg der Klage der Synagogengemeinde nunmehr stattgegeben. Zur jüdischen Gemeinschaft gehöre jede Vereinigung, die sich selbst als Jüdische Gemeinde verstehe und innerhalb der Jüdischen Gemeinschaft Aufnahme und Anerkennung als Jüdische Gemeinde gefunden habe, so das OVG. Nicht maßgeblich sei, ob die Synagogengemeinde zu Halle vom Landesverband Jüdischer Gemeinden als Jüdische Gemeinde anerkannt werde. "Denn nach den Regelungen im Staatsvertrag sollen bei der Vergabe der staatlichen Mittel auch solche jüdischen Gemeinden berücksichtigt werden, die nicht dem Landesverband angehören. Weiter sagt das OVG, dass sie Synagogengemeinde in der Jüdischen Gemeinschaft als Jüdische Gemeinde anerkannt sei. Denn seit 1999 gehören sie zu einer jüdischen Dachorganisation, der "Union progressiver Juden in Deutschland".

Mit dem Richterspruch zum Geld dürfte der Streit unter Halles Juden jedoch nicht ausgestanden sein. Denn, so Karl Sommer, dass er den jüdischen Friedhof von Halle bei Strafe nicht betreten dürfe, sei eine Zumutung. Das gelt auch für die Reglementierung beim Zugang zu den Gottesdiensten.

In Sachsen-Anhalt und Sachsen zählen die liberalen Juden derzeit rund 180 Mitglieder.

Quelle:
SonntagsNachrichten / Hallescher Kurier, 14.11.2004


 

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